#7 Erfolgreiche Energiewende – mehr als PV-Zubau?

  • Online-Veranstaltung gesendet aus Granges-Paccot, Groupe E
  • Verein Smart Grid Schweiz (VSGS)

Zusammenfassung der Veranstaltung #7 im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Gemeinsam gestalten» vom 23. Mai 2023

Das neue Gesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien legt den Fokus auf «genügend Zubau von Photovoltaik-Anlagen». Diesem Ziel werden andere Ziele untergeordnet. Netznutzungsentgelte als Förderinstrument generieren eine Umverteilung der Netzkostentragung. Beispiele dafür sind: keine Netznutzungsentgelte für Eigenverbrauch, einzeln oder im Zusammenschluss, reduzierte Netznutzungsentgelte für lokale Elektrizitätsgemeinschaften, Befreiung oder Rückerstattung von Netznutzungsentgelten für Speicher bei Netzrückspeisung.

Sind das die richtigen Massnahmen? Welche Auswirkungen haben sie auf die Stromversorgung? Sollten wir neben der «Produktion» nicht auch «Verbrauch» und «zeitlicher/örtlicher Abgleich» genauer betrachten?

Maurus Bachmann und Andreas Beer, Geschäftsführer des VSGS und Moderatoren des Anlasses, führen in die Thematik ein. Um eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sicherzustellen, gelte es, alle Einflussfaktoren zu behandeln. Der VSGS hat zur besseren Strukturierung der Diskussion das Verteilnetz der Zukunft in Themenfeldern aufgeteilt (siehe auch das Whitepaper des VSGS):

Abbildung: Strukturierung in Produktion, Verbrauch sowie örtlichen und zeitlichen Abgleich zwischen den beiden.

Diverse Szenarien und Roadmaps zeigen wie und unter welchen Annahmen eine erneuerbare Stromversorgung möglich ist. So auch die Energieperspektiven 2050+ des Bundes. Doch auch diese benötigen – trotz Annahme wesentlicher Effizienzsteigerungen und hoher Anteile an neuer erneuerbarer Stromproduktion im Winter – immer noch einen Strom-Import im Winter von rund 9 TWh . Werden die Effizienzerwartungen nicht im angenommenen Umfang oder nicht dauerhaft erfüllt, oder fällt die Winterproduktion geringer als angenommen aus, so könnten in Zukunft auch mal 20 TWh oder mehr fehlen. Das Potential an Speicherung mit Wasserkraft und Wasserstoff aus der Sommerüberproduktion ist dabei bereits eingerechnet. Speichertechnologien wie Heim- oder Fahrzeugbatterien helfen für den saisonalen Abgleich nicht (siehe dazu das Whitepaper des VSGS).

Die politische Diskussion fokussiert mit der Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf die Produktions-Box. Darum stellte sich für die beiden Moderatoren die Frage: wird aktuell in der politischen Diskussion auf die richtigen Massnahmen gesetzt? Braucht es für eine erfolgreiche Energiewende nicht mehr als den PV-Zubau?

Dazu wurde das Publikum online befragt. Dieses erachtet Last-/Lademanagement, Netzausbau und Ausbau der Speicherwasserkraft als wichtigste Massnahmen, gefolgt von Massnahmen zur Energieeffizienz und erst dann folgt der PV-Zubau. Klar als weniger relevant werden Vehicle2Grid und Netzentgeltbefreiung von Speichern angesehen.

Mit ähnlichen Fragen setzen sich auch die drei Referenten in ihren Inputreferaten und in der anschliessenden Diskussion auseinander.

Den Fokus der Energiestrategie auf die PV-Produktion setzt Thomas Nordmann, Solarpionier, Vorstandsmitglied der aeesuisse sowie Sprecher der Wirtschaft des Forums Energiespeicher (FESS). Die Schweiz habe ihre gute Ausgangslage in den letzten Jahren verspielt, andere europäische Länder hätten die Schweiz betreffend PV-Zubau überholt. Aus seiner Sicht müssten neben der weiter nötigen Förderung des PV-Zubaus die Speicher von Netznutzungsentgelten befreit werden, damit diese wirtschaftlich betrieben werden können. Auch Autobatterien könnten in Zukunft eine riesige Leistung für das Netz bereitstellen. Die Umwandlungsverluste sollten dabei in den Endverbrauch eingepreist werden. Die PV-Produktion leiste bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Strommangellage, auch im Winter, und entlaste so die grossen Speicherkraftwerke. Er räumt aber ein, dass in Zukunft nicht nur die Netze smart und konvergent werden müssten, sondern auch die Produzenten, die Verbraucher und die Gesetze.

Roger Gloor, Leiter Bau- und Netzservices der Energie Service Biel/Bienne und Vorstandsmitglied des VSGS, vergleicht die Energiestrategie 2050 mit dem Erklimmen eines Berges. Dies ist meist auf verschiedenen Routen möglich. Die Route der ESB sieht eine kontinuierliche Zielnetzplanung vor. Dabei komme man zwar nicht um den Netzausbau herum, aber der Zeitpunkt könne verzögert werden. Mit optimiertem Verbrauchsverhalten seien allenfalls auch die Betriebskosten der Netze reduzierbar. Die Förderung von PV über Befreiung von Netzentgelten helfe nicht, die Netze intelligenter zu nutzen und damit zu entlasten. Noch sei unklar, ob und wie man die Verbraucher zukünftig via neue Tarifmodelle flexibel ins Stromsystem einbinden dürfe. Mit dem kontinuierlichen Aufbau von Kenntnissen zum Netz und dem vermehrten Fokus auf die Verbraucher könnten die heute offene Fragen beantwortet und der Weg zum Gipfel gefunden werden.

Eine persönliche Sicht auf die gestellte Frage gibt Felix Vontobel, Mitglied der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom. Die aktuelle Gesetzesvorlage bilde ein Dschungel von mehr oder weniger sinnvollen Massnahmen. Marktwirtschaftliche Ansätze und Umsetzbarkeit stünden dabei nicht im Fokus. Er nennt konkrete Verbesserungsvorschläge: Die Förderung von kleinen PV-Anlagen könne ganz einfach durch genügend Einmalvergütung und saisonalem Marktertrag erfolgen und bei grossen PV-Anlagen würde das Instrument der Ausschreibung genügen. Dadurch könnten die versteckten Quersubventionierungen über Netztarife entfallen und die Administration massiv reduziert werden. Die Kurzzeitspeicherung sei über Pumpspeicher-Kraftwerke und Batterien lösbar und über Markterträge und Flexibilitätsentschädigungen finanzierbar. Die Netzkostenbefreiung von Batterien sei nicht praxistauglich und trage auch nicht zur Lösung der Saisonspeicherung, dem «Elefanten im Raum», bei.

v.l.n.r. Andreas Beer, Felix Vontobel, Roger Gloor, Thomas Nordmann, Maurus Bachmann

Während der Podiumsdiskussion wird auch das Publikum laufend mit Online-Umfragen einbezogen. Auf die Frage, wer denn für die Lösung der grössten Herausforderung, dem saisonalen Abgleich, verantwortlich sei, können sowohl die Referenten als auch das Publikum keine klare Antwort geben. Am ehesten sieht das Publikum die Verantwortung bei Verteilnetzbetreibern, Energielieferanten und Bilanzgruppen. Dabei stellt sich die Frage, ob diese über die erforderlichen Möglichkeiten und Instrumente verfügen, um das sicherzustellen. Zumindest dazu sind sich die Teilnehmer einig: heute noch nicht.

Programm

09:00 Begrüssung durch Gastgeber Fabrice Bonvin, Direktor Stromverteilung Groupe E
09:10 Einführung in die Thematik
09:30 Inputreferat Thomas Nordmann, Geschäftsführer TNC, Mitglied Vorstand aeesuisse und Forum Energiespeicher Schweiz
09:45 Inputreferat Roger Gloor, Leiter Bau- & Netzservices ESB, Mitglied Vorstand VSGS
10:00 Inputreferat Felix Vontobel, Mitglied der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom
10:15 Pause
10:30 Podiumsdiskussion mit anschliessenden Publikumsfragen
11:30 Ausblick und Abschluss

Moderation: Maurus Bachmann und Andreas Beer, Geschäftsführer VSGS