#4 ZEV mit lokalem Verbrauch – ein «Segen» für PV-Produktion und Netze?

  • Online-Veranstaltung gesendet aus Bern
  • Verein Smart Grid Schweiz (VSGS)

Zusammenfassung der Veranstaltung #4 im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Gemeinsam gestalten» vom 5. April 2022

Bei unserer vierten Veranstaltung stand am 5. April 2022 die Frage im Vordergrund, ob ZEV mit lokalem Verbrauch ein Vorteil für die PV-Produktion und die Stromnetze seien und ob sie damit zur sicheren Stromversorgung mit erneuerbaren Energien beitragen könnten. Oft werden ZEV und lokale Energiegemeinschaften für ihren Beitrag zur geforderten Entlastung der Verteilnetze gepriesen. Darum sei es vertretbar und in Ordnung, wenn diese weniger an die Netze zahlten. Doch werden die Netze durch ZEV tatsächlich entlastet? Und werden Netzkosten durch lokalen Verbrauch von dezentral produziertem Strom tatsächlich reduziert?

Stromproduktion und -verbrauch müssen sowohl örtlich wie auch zeitlich dauernd abgeglichen werden. Produktion, Verbrauch und deren Abgleich sind die wesentlichen Komponenten einer funktionierenden Stromversorgung. Die Verteilnetze schaffen dabei den örtlichen Ausgleich, jedoch nicht den zeitlichen. Dieser wird durch Ausregelung von Produktion über das europäische Verbundnetz hinweg sichergestellt. Das dauernde Funktionieren des Systems benötigt zu jedem Zeitpunkt und für jeden Nutzer das gesamte Netz. Lokale Netznutzungsmodelle können dann Sinn machen, wenn sie zu Verhaltensanpassungen motivieren.

v.l.n.r. Andreas Beer, Carsten Schroeder, Selina Davatz, Andreas Züttel, Maurus Bachmann

Eigenverbrauchsgemeinschaften verbrauchen den Strom dort, wo er produziert wird und reduzieren damit die Netzbelastung. Darum brauche es lokale Energiegemeinschaften, zeigt sich Selina Davatz, Energieberaterin bei elektroplan Buchs & Grossen AG, in ihrem Vortrag überzeugt. Dass dafür Stromleitungen umgebaut werden müssten, treffe nicht zu. Mithilfe von Smart Metern könnten virtuelle Verbrauchsgemeinschaften gebildet werden. Und mit einer intelligenten Steuerung könne die Netzbelastung tatsächlich reduziert werden. Davatz ist darum mit entsprechenden Tarifanreizen wie einen minimalen Leistungstarif einverstanden.

Bei ewz seien ZEV und lokale Energiegemeinschaften bereits weit verbreitet, so Carsten Schroeder, Leiter strategisches Asset Management Netze bei ewz und Vorstandsmitglied im VSGS. Obwohl die Kosten des quasi unsichtbaren Verteilnetzes in der Stadt Zürich erheblich seien und durch die ZEV nicht reduziert würden, steht ewz einer Ausweitung zu virtuellen ZEV offen gegenüber. Für eine sinnvolle Umsetzung virtueller ZEV seien aber einige Bedingungen zu beachten. So müsse für die Ausdehnung der ZEV die Netzstruktur berücksichtigt werden. Tarife mit höherem Leistungsanteil seien wichtig und die Aufwände für deren Einrichtung seien durch die ZEV zu tragen.

«Das eine tun und das andere nicht lassen», das ist das Motto von Andreas Züttel, Professor und Institutsleiter am Institut für Materialien für erneuerbare Energien an EPFL und Empa. Effizienzverbesserungen und Verhaltensanpassung seien sehr sinnvoll. Es gelte aber, die Grössenordnungen im Auge zu behalten. Der Tagesausgleich sei das kleinere Problem. Der saisonale Ausgleich, aber auch die Bereitstellung von mehr Energie für den AKW-Ersatz, die Mobilität und den Ersatz der fossilen Wärmeerzeugung bedürfe ganz anderer Grössenordnungen an Speicherkapazitäten. Lösungen dafür seien vorhanden, müssten aber jetzt angegangen werden.

Die Diskussion macht klar, dass ZEV und lokale Netznutzungsmodelle mögliche Wege sind, um den PV-Zubau zu fördern. Ohne entsprechende Tarifanreize wie Leistungstarife wird aber die Netzbelastung durch lokale Netznutzungsmodelle nicht reduziert. Die benötigten riesigen Speicherkapazitäten für den saisonalen Ausgleich können aber weder durch ZEV noch durch lokale Nutzung realisiert werden. Auch Netzbetreiber können diese nicht bereitstellen. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung von lokalen Energiegemeinschaften für die sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sehr unterschiedlich beurteilt. Einigkeit herrscht, dass jede Effizienzsteigerung und jede Netzdienlichkeit hilft, den letztendlich nötigen Umfang an saisonalen Speichern, aber auch an Netzausbauten zu reduzieren und damit die Kosten für die Gesellschaft zu mindern.

Programm

09:00 Begrüssung
09:10 Einführung in die Thematik (VSGS)
09:30 Inputreferat Selina Davatz «Wie der ZEV der Zukunft aussehen kann und was er mit der Physik gemeinsam hat» mit anschliessenden Publikumsfragen
09:50 Inputreferat Carsten Schroeder «ZEV und Energiegemeinschaften aus Netzsicht» mit anschliessenden Publikumsfragen
10:10 Inputreferat Prof. Andreas Züttel «Fakten für eine CO2-neutrale Schweiz» mit anschliessenden Publikumsfragen
10:30 Pause
10:45 Podiumsdiskussion mit anschliessenden Publikumsfragen
11:30 Fazit + Ausblick
11:45 Abschluss

Moderation: Maurus Bachmann und Andreas Beer, Geschäftsführer VSGS